Geschichte

Historische Hintergründe der Take Back the Night Demonstration

Walpurgisnacht

Während der Christianisierung Europas wurden viele Feste, die bereits in der Bevölkerung existierten, übernommen und in ein christliches Bewertungsschema eingefügt. Hierbei war die negative Bewertung derer, die nicht zum Christentum übergetreten waren grundlegend wichtig.

Am Beispiel der Walpurgisnacht sieht man dies sehr deutlich. Menschen, die sich weigerten die Nacht zum 1. Mai als Christ_innen zu begehen, wurden als Hexen_r benannt und hatten soziale Sanktionen zu befürchten. Hierbei hat die Namensgeberin der Nacht, die heilige Walburga, eigentlich gar nicht mit dem eigentlichen Tag zu tun. Sie wurde viel eher von den christlichen Machthabern instrumentalisiert und ihr Namenstag (zu der Zeit hatten Namenstage wesentlich mehr Bedeutung, ähnlich wie Geburtstage) wurde auf den 1. Mai gelegt. Die heilige Walburga ist die Schutzpatronin der Seeleute und Schutzheilige gegen Sturm. Gleichzeitig ist sie Schutzheilige gegen Seuchen und Krankheiten, Hungersnot und Missernte, sowie Patronin der Kranken und Wöchnerinnen, sowie der Bauern. 

Take Back The Night

Im Oktober 1975 wurde Susan Speeth in Philadelphia ermordet, als sie auf dem Weg nach Hause war. Daraufhin wurde Frauen geraten, sie sollten sich nachts nicht mehr in der Öffentlichkeit bewegen, um sicher zu sein. Dass dies eine illegitime Verschiebung der Verantwortung für solche Übergriffe ist und gleichzeitig völlig ignoriert, dass ein großer Teil der Gewalt gegen Frauen im häuslichen Rahmen passiert, ist deutlich. Um für sichere Nächte für alle und für solidarische und gewaltfreie Communities und Beziehungen zu demonstrieren veranstalteten Feminist*innen die erste Take Back the Night Demonstration (TBTN).

In Deutschland fand die erste TBTN Demonstration in München am 30.04.1977 statt. Hierbei gab es auch die positive Bezugnahme auf Hexen, da man sich mit dem abweichenden Verhalten, welches in der Gesamtgesellschaft oft negativ bewertet wurde, identifizieren konnte. Zeitgleich kam es in der zweiten Welle der Frauenbewegung zur Aufarbeitung von weiblicher Geschichte und der gleichzeitigen Aufwertung dieser. Außerdem identifizierten sich viele Frauen mit dem Bild der Hexe, da diese als besonders naturnah und in Einklang mit sich selbst gelesen wurde.

Auch wenn wir die Naturverbundenheit und Spiritualität nicht teilen, welche im übrigen im Spätkapitalismus oft genug dazu dient Personen, die nicht dem Bild der hyperweiblichen Frau entsprechen, auszuschließen, hängen wir doch an der TBTN.

Die nächtliche Öffentlichkeit ist nicht für alle Personen gleichermaßen zugänglich. Und wir wollen uns diese zurückerobern. In dieser Welt, in der das ‚Normale’ so gewaltvoll und schrecklich menschenverachtend ist, sind wir gerne unnormal, pervers und abweichend. Wir beanspruchen unseren Raum, in dem wir laut und damit sichtbar sind. So kämpfen wir in dieser traditionsreichen Nacht für unsere Sichtbarkeit, Sicherheit und Existenz.